Dienstag, 3. Juli 2012

Kingdom Builder

Spielemesse Essen, Oktober 2011: Ich habe sowohl Kingdom Builder als auch Lancaster von Queen Games  ausprobieren können und möchte beide kaufen. Mein Kumpel Andi ist da bescheidener, er will nur Lancaster. Die Preise bei Queen sind allerdings recht happig, Kingdom Builder kostet ca. 35 €, Lancaster sogar ca. 40 €... Hmmmm...

Dann entdecke ich die Spendenaktion von Queen. Man spendet 2 € für wohltätige Zwecke und darf dafür dann einmal in einen Beutel greifen und einen Pokerchip ziehen. Für nen grünen Chip kriegt man das Spiel Highland Clans geschenkt, für nen blauen gibts zehn Prozent Rabatt auf nen Kauf bei Queen, für nen roten sogar 20 Prozent. Andi will unbedingt Highland Clans. Er zieht. Grün. Glückwunsch! Ich will unbedingt den roten Chip. Ich ziehe.... Spannung... Rot! Hipphipphurra, son Glück habe ich doch sonst nie! Habe dann Andi's Lancaster einfach mitgekauft, womit wir nach Adam-Riese dann insgesamt statt 115 € nur 92 € plus die 2 € für den guten Zweck ausgegeben haben. So, und was lernen wir nun daraus? Genau, dass oft viel nur davon abhängt, dass man im passenden Moment das richtige Glück beim Ziehen hat. Alles andere ist wurscht. Genau wie bei Kingdom Builder... Oder vielleicht doch nicht?

Kingdom Builder ist das zweite Spiel von Donald Vaccarino. Ja genau! Dem Donald Vaccarino, der mit seinem Erstlingswerk Dominion mal eben ein komplett neues Spiel-Genre, die Deckbuilding-Spiele, erschaffen hat. Dem geneigten Spieler fällt dann auch schnell die erste Gemeinsamkeit der beiden Spiele auf: Die Variabilität im Spielaufbau. Bei Dominion war jede Partie anders, weil wir immer mit einer anderen Kombination von Königreichkarten spielten. Und Kingdom Builder? Hier gibt es keine Königreichkarten, dafür aber einen modularen Spielplan und variable Spielziele. Hä? Okay, langsam:

Bevor es bei Kingdom Builder losgeht, müssen wir zunächst den Spielplan zusammensetzen. Dazu nehmen wir zufällig vier von insgesamt acht im Spiel enthaltenen großformatigen Spielplanteilen, den sogenannten Quadranten, aus denen wir dann ein großes Rechteck bauen. Die Quadranten zeigen allesamt etliche kleine Sechsecke, von denen jedes einen bestimmten Landschaftstyp hat: Wald, Wüste (!?), Canyon, Weide, Blumenwiese (!?!?), Wasser oder Berg. So entsteht beim Spielaufbau also eine wunderschöne, unangetaste Welt. Und welchen zwanghaften Reflex lösen eben solche jungfräulichen Landschaften bei jedem Spieler aus? Ganz genau, sie zu bebauen! Keine Angst, genau das tun wir auch gleich, nicht umsonst heißt das Spiel Kingdom BUILDER.

Gebaut werden - öfter mal was neues - Siedlungen. Hiervon hat anfangs jeder Spieler 40 in seinem Vorrat. Auf das Spielfeld bringen wir die Siedlungen unter Einsatz von Landschaftskarten. Diese liegen in einem verdeckten Nachziehstapel und entsprechen den Landschaften auf dem Spielplan, wobei es allerdings keine Karten für Wasser und Berg gibt. Siedlungen im Wasser zu bauen wär ja auch irgendwie albern, und wer will schon auf nem Berg leben? In der Wüste ist es da doch viel netter! Jeder Spieler hat  jedenfalls immer genau eine solche Karte auf der Hand, die er zu Beginn seines Zuges ausspielt. Danach muss er 3 seiner Siedlungen auf Felder des der Karte entsprechenden Landschaftstypes bauen. Hierbei gilt zu beachten, dass man - sofern möglich - grundsätzlich angrenzend an bereits vorhandene Siedlungen bauen muss. Dann wird eine neue Karte für den nächsten Zug nachgezogen, und das wars dann auch schon.

... Naja, fast. Ganz so jungfräulich, wie ich eben behauptet habe, ist die Spiellandschaft zu Beginn dann nämlich doch nicht. Auf jedem der Quadranten gibt es einige Sechsecke, die statt eines Landschaftstypes eine Burg oder einen bestimmten Ort zeigen. Gelingt es einem Spieler, Siedlungen angrenzend an ein solches Feld zu bauen, so erhält er einen Bonus. Bei Burgen sind das einfach 3 Siegpunkte am Spielende. Interessanter sind die Ortsfelder, denn diese bieten Boni, die wir fortan in jedem Zug einsetzen können, um den oben beschrieben Siedlungsbau etwas interessanter zu gestalten. Das Platzieren von 3 Siedlungen der Landschaftskarte entsprechend bleibt zwar Pflicht. Der Turm erlaubt es uns aber beispielsweise, zusätzlich eine Siedlung auf ein beliebiges Feld am Rand des Spielplanes zu platzieren. Die Oase lässt uns in jedem Zug eine weitere Siedlung in die Wüste bauen und so weiter. Sehr beliebt ist auch der Hafen, denn wer sich dessen Bonus sichern konnte, der findet im Wasser zu bauen auf einmal doch nicht mehr so albern, denn er darf nun einmal pro Zug eine schon gebaute Siedlung in ebendieses Wasser versetzen... also so ne Art Hausbootsiedlung... Einzige Einschränkung bei der Nutzung der meisten dieser Boni bleibt, dass - sofern möglich - angrenzend an bestehende eigene Siedlungen gebaut werden muss.

So siedeln die Spieler dann friedlich vor sich hin, bis irgendwann dem ersten die Siedlungen ausgehen und das Spielende eingeleitet wird. Äh, und was war jetzt das Ziel des ganzen Spektakels?

Tja, da waren ja noch die eingangs erwähnten variablen Spielziele. Das Spiel enthält neben den Landschaftskarten nämlich noch 10 unterschiedliche Zielkarten, die festlegen, wofür es denn in einer Partie überhaupt Siegpunkte gibt. Von diesen werden in einer Partie exakt drei verwendet, sie werden zu Spielbeginn offen ausgelegt und gelten: für alle. Und auf einmal ist das ganze nicht mehr so friedlich, denn unter Beachtung der Ziele kommt uns der eben noch so weitläufige Plan nun auf einmal recht eng vor. Die Zielkarte Fischer gibt einen Siegpunkt für jede Siedlung, die angrenzend zu einem Wasserfeld gebaut wurde? Und schon kloppen wir uns um die besten Plätze am Ufer! Der Händler gibt 4 Punkte für jedes Orts- oder Burgfeld, dass durch eigene Siedlungen mit einem anderen solchen Feld verbunden ist? Weg da, ich muss da durch! Es wird gedrängelt und blockiert, und plötzlich ist auch die Schadenfreude groß, wenn ein Mitspieler partout nicht die Landschaftskarte zieht, die er doch so dringend braucht.

Landschaftskarten, achja. Damit wären wir wieder beim einleitend erwähnten Nachzieh-Glück. Denn dies ist der Hauptvorwurf, der von vielen Spielern schnell über Kingdom Builder geäußert wird: Dass der Spielverlauf zu sehr vom Glück beim Nachziehen der Landschaftskarten abhängig sei, dass eigene Züge dadurch mitunter vorgegeben seien und die Mitspieler kaum einen Einfluss auf das Geschehen nehmen könnten.

"Ich ziehe eine Wüstenkarte, und stehe mit meiner Siedlung bereits in einer großen Wüste, in der es für mich aber gar nichts interessantes mehr gibt. Toll, jetzt darf ich da noch drei Siedlungen hinbauen, dabei würde ich doch viel lieber ganz woanders siedeln. Super..."

Das fühlt sich für den Betroffenen dann schnell willkürlich an, und richtig großer Frust kommt auf, wenn man so gleich mehrere Züge hintereinander verschwendet. "Bah, spiele ich eigentlich das Spiel, oder das Spiel eher mich?" oder "Dann kann ich auch Mensch Ärgere Dich Nicht spielen, da habe ich genau so einen Einfluss" sind da noch die harmloseren Reaktionen. Kurzum: Wenn wir Brettspielliebhaber eines hassen, dann ist es, wenn wir beim Spielen das Gefühl haben, keinen Einfluss auf den Spielablauf nehmen zu können. Schnell fordern Spieler, nicht immer nur eine Karte zur Verfügung zu haben. Wenn es doch wenigstens 2 wären... oder gar 5... Sodass man eine Wahl hätte. Hausregel! HAUSREGEL! Tja, Pech gehabt, gibt's nicht!

Also ist Kingdom Builder ein grottenschlechtes Spiel?

Nein, es ist phantastisch!

Denn der vermeintlich willkürliche Zwang, der durch die zufällig gezogene Landschaftskarte entsteht, ist genau dass, was Kingdom Builder interessant macht. Oder vielmehr: Das Bestreben, einen solchen Zwang gar nicht erst entstehen zu lassen bzw. möglichst zu minimieren. Wer unbedingt eine Wiesen-Landschaftskarte braucht, um sein angestrebtes Ziel weiter verfolgen zu können, und mit den übrigen Landschaftskarten nur in uninteressanten Gebieten rumbauen kann, der wird in 98% der Fälle vorher gravierende Spielfehler gemacht haben.

Das Problem, dass Kingdom Builder tatsächlich hat, ist, dass man sich bereits in den ersten Zügen das komplette Spiel durch ungeschickte Siedlungsplatzierung verbauen kann. Das passiert natürlich vor allem Neulingen, die ersteinmal einfach so drauf los spielen. Kingdom Builder hat deshalb - trotz äußerst überschaubarem Regelwerk - eine nicht zu unterschätzende Einstiegshürde.

Dies hat auch die Jury des "Spiel des Jahres"-Awards bei ihrer Nominierung von Kingdom Builder zum "Spiel des Jahres 2012" gemerkt. In der Begründung der Jury heißt es nämlich "[...] Der einfache Einsetzmechanismus zeigt zwar nicht sofort seine Klasse, doch schon nach wenigen Partien entfaltet er seinen ganzen Reiz." Dem kann ich mich voll und ganz anschließen. Kingdom Builder hat meiner Meinung nach im Vergleich zu den anderen beiden Nominierten Vegas (auch ganz nett, Bericht kommt noch) und Eselsbrücke (kenne ich zugegebenermaßen noch nicht), die besten Chancen, den diesjährigen Award zu gewinnen.

Das Argument mit dem Glück beim Ziehen mag vielleicht auf Spendenveranstaltungen des Verlages zutreffen, bei Kingdom Builder lasse ich es aber nicht gelten.

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