Montag, 9. Juli 2012

Targi

Reine Zwei-Personen-Spiele sind heutzutage rar. Ärgerlich für Leute wie mich, die überwiegend mit dem eigenen Partner spielen und nur ab und zu mal weitere gewillte Mitspieler zur Verfügung haben. Gut, die meisten Spiele auf dem Markt richten sich an "2-4 Spieler", und viele dieser Spiele funktionieren dann tatsächlich auch zu zweit recht gut. Viele andere eben aber auch nicht, man muss sich mit konstruiert wirkenden Regelvarianten behelfen oder muss vorher einen Teil des mitgelieferten Materials aussortieren, sodass es sich mithin so anfühlt, als könne man zu zweit nicht das volle Spielerlebnis genießen. Aus der Masse von Spielen für "2-4 Spieler" diejenigen rauszufiltern, die zu zweit dann auch tatsächlich funktionieren, war für mich lange die größte Herausforderung beim Spielekauf.
Als ich vor etwa 4-5 Jahren anfing, mich intensiver mit Brettspielen zu beschäftigen, war für mich daher die Reihe "Spiele für Zwei" des Verlages Kosmos eine sehr wichtige Quelle. Unter diesem Label sind um die Jahrtausendwende zahlreiche hochkarätige Spiele erschienen, die sich an exakt zwei Spieler richteten (etwa Jambo, Kahuna, Lost Cities etc.). In den Folgejahren konnte Kosmos zu meinem Leidwesen in dieser Reihe dann aber nicht mehr an die großen Erfolge anknüpfen, und so wurde die Serie zunehmend stiefmütterlich behandelt. Besonders in den letzten 4-5 Jahren, also ungefähr in dem Zeitraum, in dem mein Interesse an Brettspielen entstand, begnügte Kosmos sich in der Zwei-Spieler-Serie hauptsächlich damit, alte Erfolge in "Jubiläums"- oder "Klassiker"-Editionen aufzukochen oder Zwei-Spieler-Spinoffs von erfolgreichen "größeren" Spielen zu verlegen. Für mich sehr schade, vor allem, weil es auch bei anderen großen deutschen Spieleverlagen in der Vergangenheit mit Zwei-Spieler-Spielen eher mau aussah.
Umso größer war daher nun Anfang des Jahres mein Interesse, als mit "Targi" plötzlich wie aus dem Nichts ein neues Spiel in der "Spiele-für-Zwei"-Reihe auftauchte. Als ich dann noch las, dass es sich bei Targi um ein Worker-Placement-Spiel (zu deutsch: Arbeiter-Einsatz-Spiel) handeln solle, war die Kaufentscheidung schnell gefällt. Worker-Placement-Spiele gibt es in größerem Umfang nämlich erst seit Mitte des letzten Jahrzehnts, und erst in den vergangenen Jahren "blühte" dieser Mechanismus so richtig auf. Da diese Entwicklung nun also genau zu Zeiten der Zwei-Spieler-Flaute stattfand, waren insbesondere 2-Personen-Worker-Placement-Spiele bislang Mangelware.
Meine Neugierde auf Targi war groß, und daher möchte ich auch euch nun nicht länger auf die Folter spannen, was sich denn bloß; dahinter verbirgt. Also:
Targi versetzt uns in die Welt des Nomadenvolks der Tuareg. Entsprechend spielen wir in einer Wüste, die aus einer Auslage von 5 x 5 Karten besteht. Die 16 Randkarten dieser Auslage sind dabei immer die gleichen und bleiben auch das gesamte Spiel über unverändert liegen, sodass sie genauso gut auf einen Spielplan hätten gedruckt werden können. Das wäre aber vermutlich teurer gewesen und hätte zudem das kleine Schachtelformat der "Spiele-für-Zwei"-Reihe gesprengt. Also kein Spielplan, dafür ein klein wenig mehr Aufbauarbeit am Spielanfang. Sei's drum.
Zu den 16 Randkarten kommen noch 9 Karten in der Mitte der Auslage. Diese unterteilen sich in Waren- und Stammeskarten, die die Spieler während der Partie nutzen bzw. erwerben können. Warenkarten bringen den Spielern - wer hätte es gedacht - Waren (Datteln, Salz, Pfeffer und Gold), Stammeskarten wandern, nach Bezahlung bestimmter Waren, in die persönliche Auslage des Spielers und bieten diesem Siegpunkte und unterschiedliche Vorteile für den weiteren Spielverlauf.
Und wie kommen die Spieler nun an diese Waren- und Stammeskarten? Genau! Durch einen Worker-Placement-Mechanismus. Der funktioniert bei Targi wie folgt. Die Spieler setzen abwechselnd Targi-Figuren auf die Randkarten, bis jeder 3 Figuren gesetzt hat (Achtung, die 4 Eckkarten sind dabei tabu!). Beim Einsetzen gelten jedoch zwei Einschränkungen. Zum einen darf auf jeder Karte nur maximal 1 Figur stehen. Hierzu zählt auch der Räuber, der im Spielverlauf über die Randkarten hüpft und somit in jeder Runde eine Karte blockiert. Zum anderen darf man keine Targi-Figuren GEGENÜBER von gegnerischen Figuren platzieren. Haben beide Spieler ihre 3 Figuren platziert, werden nun noch Stammesmarker auf die Kreuzungspunkte der eigenen Targi-Figuren gesetzt.
So hat also am Ende der Setzphase jeder Spieler 3 Targi-Figuren und bis zu 2 Stammesmarker auf Karten liegen. Nun beginnt der Startspieler damit, alle seine Figuren wieder zurückzunehmen und dabei den Karten entsprechende Aktionen auszführen, danach verfährt der andere Spieler genauso. Figuren auf Randkarten gewähren dem entsprechenden Spieler - abhängig von der jeweiligen Randkarte - Sonderaktionen oder Waren. Stammesmarker auf Karten in der Mitte der Auslage erlauben es dem Spieler, diese zu benutzen (Warenkarten) bzw. für die eigene Auslage zu kaufen (Stammeskarten). Wird eine Waren- oder Stammeskarte aus der Mitte auf diese Weise genutzt, so wird sie für die nächste Runde durch eine Karte der jeweils anderen Sorte ersetzt. Am Ende einer Runde hüpft dann der Räuber auf die nächste Randkarte, überquert er hierbei ein Eckfeld, so überfällt er die Spieler und nimmt ihnen Waren oder Siegpunkte ab.
Das ganze läuft über bis zu 16 Runden oder bis ein Spieler seine persönliche Auslage vervollständigt, indem er seine 12. Stammeskarte ausspielt. Am Ende gibt es dann, zusätzlich zu eventuell während des Spieles eingesammelten Siegpunkten, noch Siegpunkte für die Stammeskarten der eigenen Auslage und gegebenenfalls noch ein paar Bonuspunkte, wenn man es geschafft hat, die Symbole der Stammeskarten in der eigenen Auslage richtig anzuordnen. Und dann ist der Spuk auch schon vorbei.
Der Reiz von Targi liegt in dem ständigen Zwang, zu priorisieren, und hierbei auch den Gegner nicht aus den Augen zu lassen. Oft liegen gleich mehrere interessante Karten in der Auslage, und diese dann zu bekommen und dabei möglichst auch noch sinnvolle Randkarten-Aktionen durchzuführen, wirkt oft nahezu unmöglich, vor allem, wenn hierbei noch ständig der Gegenspieler oder Räuber im Weg steht. Umso größer ist dann aber das Erfolgserlebnis, wenn die optimale Platzierung doch mal gelingt. So harmlos sich Targi anfangs auch noch darstellt, so schnell wird den Spielern doch klar, dass sie es hier mit einem knallharten Blockier- und auch Bluffspiel zutun haben. Ständig läuft man Gefahr, vom Gegner blockiert zu werden (da dieser durch Platzieren seiner Targi-Figur ja gleich zwei Felder belegt: Das, auf das er die Figur gestellt hat, und das gegenüberliegende), und so ist man ständig zum Versuch gezwungen, das Handeln des Gegenspielers vorauszuahnen. Zu sehr sollte man sich dann aber auch nicht am Gegenspieler ausrichten. Destruktives spielen ist zwar möglich und manchmal auch sinnvoll, auf Dauer jedoch wenig erfolgversprechend.
Mit Targi hat der Kosmos-Verlag endlich nochmal ein innovatives und anspruchsvolles Zwei-Personen-Spiel veröffentlicht. Dem Autor Andreas Steiger ist hierbei direkt mit seinem Erstlingswerk ein großer Wurf geglückt. Targi kommt in kleiner Schachtel daher, doch in dieser Schachtel gibt es einiges zu entdecken. Trotzdem ist die Spieldauer mit etwa einer Stunde - bei erfahrenen Spielern gerne auch 45 Minuten - sehr human. Targi eignet sich deshalb wunderbar für einen schnellen Strategie-Fix für zwei, also genau das richtige für Partner, die vielleicht abends unter der Woche noch schnell etwas anspruchsvolles spielen möchten. Perfekt, darauf habe ich gewartet. Das Targi so partnerfreundlich ist kommt übrigens nicht von ungefähr. Schließlich hat auch der Spieleautor Steiger bereits kundgetan, sich bei seinen Spieledesigns hauptsächlich an seiner Partnerin auszurichten.
Targi wurde zwischenzeitlich zum Kennerspiel des Jahres nominiert, was ich sehr begrüße. Bleibt zu hoffen, dass die Nominierung der "Spiele-für-Zwei"-Reihe von Kosmos neuen Wind in die Segel bläst und dies auch auf den Rest der Branche abfärbt. Auf weitere Veröffentlichungen von Andreas Steiger können wir nach dem geglückten Debüt auf jeden Fall gespannt sein.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.