Freitag, 3. Juni 2011

"Neu für mich" - Mai 2011

Inspiriert von einer monatlich wiederkehrenden Geeklist auf Boardgamegeek habe ich mich dazu entschieden, in Zukunft am Ende eines jeden Monates zu rekapitulieren, welche neuen Spiele ich in diesem Monat kennengelernt habe. Hier also ohne große Umschweife das erste "Neu für mich":


Kleopatra und die Baumeister ist ein Spiel für 3-5 Spieler des französischen Verlages Days of Wonder. Auf der Verlags-Homepage kann man sich eine Regelvariante für 2 Spieler herunterladen, und dies ist die einzige Spielerzusammensetzung, in der ich das Spiel bislang ausprobieren konnte. Grob gesagt geht es darum, mit unterschiedlichen Rohstoffen und der Hilfe einiger ägyptischer Persönlichkeiten einen Palast für Kleopatra zu bauen und somit möglichst großen Wohlstand anzuhäufen. Dabei bringt das Ausspielen einiger stärkerer Karten den Spielern jedoch Bestechungsmarker ein, und wer am Ende des Spieles von diesen zuviele besitzt, wird den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen (sprich: scheidet aus) oder erhält einen dicken Punkteabzug (in der 2-Spieler-Variante). Das Auffälligste an dem Spiel sind auf jeden Fall die Komponenten, denn der Palast wird während des Spieles tatsächlich durch dreidimensionale Plastik-Teile von den Spielern erbaut. Sieht klasse aus, ist aber fast schon etwas zu viel des Guten, das ganze wirkt etwas überladen. Überladen wirken meiner Meinung auch die Spielmechanismen teilweise. Es wird gebaut, jedes Bauteil hat andere Voraussetzungen und Folgen, dann muss man Würfeln, dann in einer Art verdeckter Versteigerung Talente (die Währung) opfern, sonst hagelt es Bestechung, währenddessen wird auch noch etwas gepuzzelt und so wirkt es irgendwie, als hätte der Author zu viele Mechanismen auf einmal verarbeiten wollen. Findet man sich in diesem Wirrwarr von Spielmechanismen jedoch erst einmal zu recht, so scheint es doch ein ganz nettes Spiel zu sein, vor einem endgültigen Urteil möchte ich das ganze aber noch ein paar Mal in größerer Besetzung ausprobieren.



Sobek ist ein Spiel für 2-4 Spieler des schweizer Verlages Gameworks, und das Spiel wirkt aufgrund der ähnlichen Aufmachung der Spielschachtel und der Regel zunächst wie ein Nachfolger des Spieles "Jaipur" (ebenfalls Gameworks), das ich, wie ihr aus meiner Video-Rezension vielleicht wisst, sehr schätze. Nun bestehen zwar auch spielmechanische Ähnlichkeiten zwischen Jaipur und Sobek, tatsächlich entpuppt sich Sobek jedoch eher als Kartenvariante des vorgenannten Spieles "Kleopatra und die Baumeister" aus dem Hause Days of Wonder, was aber nicht weiter verwundert, da beide Spiele aus der Feder des Authors Bruno Cathala stammen. Genau wie "Kleopatra und die Baumeister" spielt Sobek im alten Ägypten und auch hier geht es darum, durch den Einsatz verschiedenster Waren und mit der Unterstützung unterschiedlichster Personen sowie mit der richtigen Prise Bestechung den Bau eines Bauwerkes voranzutreiben. Dieses Mal wird aber nicht Kleopatra's Palast, sondern ein Tempel für Sobek, die Gottheit der Krokodile, gebaut (eben dieser Gottheit werden die Spieler in "Kleopatra und die Baumeister" zum Fraß vorgeworfen, wenn sie zu doll bestechen). Spielmechanisch geht es in Sobek darum, Warenkarten aus einer zentralen Auslage aufzunehmen und diese dann durch Ausspielen in Siegpunkte umzuwandeln. Dabei muss man grundsätzlich immer die vorderste Karte nehmen, möchte man weiter hinten liegende Karten einheimsen, muss man alle übersprungenen Karten in seinen "Bestechungstopf" werfen, und wer dies zu ausgiebig praktiziert, wird am Ende mit Punkteabzug bestraft (was jedoch nicht so schlimm ist wie in "Kleopatra und die Baumeister", dort wurde der Bestechungskönig ja kurzerhand den Krokodilen vorgeworfen uns schied komplett aus). Beim bilden möglichst ertragreicher Sets helfen einem zum einen Personenkarten, die ebenfalls aus der Auslage entnommen werden, sowie Ereignis-Plättchen, die die Spieler für das möglichst frühe Ausspielen von Sets erhalten. Das ganze hat sich in unserer ersten Runde etwas behäbig gespielt, und da man für ein komplettes Spiel 3 Durchgänge spielen muss, hat sich die erste Partie ziemlich in die Länge gezogen (über eine Stunde). Die Hoffnung bleibt jedoch, dass sich dies mit wachsender Erfahrung legt, denn ansonsten hat das Spiel sicherlich Spaß gemacht, zumindest in der Besetzung von 2 Spielern. Ich befürchte jedoch, dass das Spiel mit 3 oder erst recht 4 Spielern zunehmend chaotischer wird.


Funkenschlag für 2-6 Spieler, veröffentlicht im Eigenverlag 2F-Spiele, ist vermutlich das erfolgreichste Spiel des Authors Friedemann Friese (fast 1000 Fans auf Boardgamegeek und dort mit einer Durchschnittsbewertung von 8,12 auf Rang 5!). Dank meinem Nachbarn und Spielepartner Jörg konnte ich das Spiel nun endlich auch einmal ausprobieren, wir haben zu zweit Mitteldeutschland unter Strom gesetzt. In Funkenschlag müssen die Spieler nämlich verschiedenste Kraftwerkstypen ersteigern und diese dann mit den Rohstoffen Kohle, Öl, Müll und Plutonium betreiben, um ein möglichst großes Stromnetz aufzubauen und die deutschen Großstädte so mit Strom zu versorgen. Das Spiel hat mir, obwohl wir es in der angeblich schwächsten Spielerkonstellation zu zweit gespielt haben, großen Spaß gemacht. Sowohl die Versteigerung der Kraftwerke als auch der Rohstoffnachschub sind spielmechanisch elegant geregelt. Interessant fand ich aber vor allem, dass es für den Spielsieg tatsächlich nur darauf ankommt, wie viele Kraftwerke man im LETZTEN Zug des Spieles versorgen kann. Alles, was davor passiert ist, gilt somit also nur als Vorbereitung für das große Finale. Für mich ziemlich ungewohnt, aber deswegen nichtsdestoweniger interessant. In der ersten Partie hat es mir wohl vor allem noch am richtigen Timing gefehlt, aber daran lässt sich ja arbeiten.




Alien Frontiers ist ein Spiel von Tori Niemann, das vom US-Amerikanischen Kleinverlag CleverMojoGames publiziert wird. Interessant ist schon die Geschichte hinter der Erstveröffentlichung des Spieles, denn Alien Frontiers war das erste (mir bekannte) Brettspiel, das erfolgreich über die "Funding-Platform" Kickstarter.com finanziert wurde. Auf dieser Plattform stellen kreative Köpfe Ihre Projekte vor, und jeder kann sich dann an der Finanzierung dieser Projekte beteiligen und erhält je nach Einsatz das finale Produkt mit möglichen Extras. Das ursprüngliche "Funding-Goal" für Alien Frontiers betrug 5,000 $, doch bis zum Ende des Fundraisings konnten sogar knapp 15,000 $ vereinnahmt werden. Herausgekommen aus der ganzen Aktion ist nun jedenfalls ein liebevoll gestaltetes Spiel für 2-4 Spieler im Retro-Sci-Fi-Look. In Alien Frontiers ist es die Aufgabe der Spieler, einen nicht näher benannten fernen Planeten zu kolonisieren. Dazu stehen den Spielern anfangs je 3 Raumschiffe in Form von Würfeln zur Verfügung. Zu Beginn seines Zuges würfelt der Spieler mit all seinen "Schiffen", und kann diese dann auf verschiedenen "Orbital Facilities", also auf um den Planeten kreisenden Stationen, einsetzen, und somit unterschiedliche Aktionen ausführen. Hierzu gehört unter anderem der Erwerb von Rohstoffen, neuen Schiffen oder sogenannten "Alien-Tech"-Karten. Das vorrangige Ziel ist jedoch, wie gesagt, die Kolonisierung des Planeten, und so gibt es insgesamt 3 unterschiedliche Andock-Punkte, mit deren Hilfe Kolonien auf dem Planeten platziert werden können. Der Planet selber ist in 8 unterschiedliche Gebiete unterteilt, die demjenigen Spieler, der in dem jeweiligen Gebiet die Mehrheit an Kolonien platziert hat, gewisse Vorteile gewähren. Das Spiel endet, sobald ein Spieler alle seine Kolonien platziert hat, und es gewinnt derjenige, mit den meisten Siegpunkten (diese gibt es im Wesentlichen für platzierte Kolonien sowie für den jeweiligen Mehrheiteninhaber in den unterschiedlichen Gebieten). Alien Frontiers hat bei mir nach nunmehr schon fünf Partien einen sehr positiven Eindruck hinterlassen und war zusammen mit meinem derzeitigen Standard-Absacker Jaipur mein meistgespieltes Spiel des Monats. Das Spiel bietet mit dem "Dice-Placement" einen relativ unverbrauchten Mechanismus und verlangt den Spielern sowohl taktische als auch strategische Entscheidungen ab. Zudem ist das Spiel, wie gesagt, detailreich und liebevoll gestaltet. So sind zum Beispiel die unterschiedlichen Gebiete in Alien Frontiers allesamt nach Sci-Fi-Authoren des 20. Jahrhunderts benannt, ein nettes kleines Detail, dass mich so neugierig auf die Arbeiten der jeweiligen Autoren gemacht hat, das ich mir direkt einmal ein Werk (Die Foundation-Trilogie von Isaac Asimov) besorgt habe. Alien Frontiers ist also eine sehr runde Sache und somit mein persönliches 'Spiel des Monats Mai 2011'. Sollte ich hiermit nun Euer Interesse geweckt haben und Ihr das Spiel eventuell erwerben wollen, so müsst ihr Euch jedoch höchstwahrscheinlich in Geduld üben. Das Spiel ist nach wie vor ein wahrer Kassenschlager und leidet derzeit darunter, chronisch ausverkauft zu sein. Die dritte Edition wird wohl für Herbst 2011 erwartet.


Bei Bridgetown Races, einem Spiel für 2-4 Spieler aus der "Gryphon Family Games Series" von Freddistribution, handelt es sich um ein kurzes aber kniffliges Rennspiel. Das ganze spielt in Portland, einer Stadt, die offensichtlich viele Brücken hat. Die Spieler müssen ihre Spielfiguren mithilfe unterschiedlichster Fortbewegungsmittel (zu Fuß, Blades, Fahrrad, Auto, Taxi, Motorrad oder Straßenbahn) durch das Straßennetz von Portland bewegen und dabei möglichst die richtigen Brücken mit den richtigen Fortbewegungsmitteln passieren, um die darauf befindlichen Flaggen einsammeln zu können (die Farbe der Flagge muss der Farbe des Fortbewegungsmittels entsprechen). Pro Runde stehen jedem Spieler maximal 3 Fortbewegungsmittel zur Verfügung, und da die Spieler bereits am Anfang der Runde festlegen müssen, welche Fortbewegungsmittel sie verwenden möchten und diese dann auch immer mit ihrer vollen Zugweite benutzen müssen, entwickelt sich Bridgetown Races zu einem kniffligen kleinen "Puzzle", in dem die Spieler sich auch durchaus gegenseitig Steine in den Weg legen können. Wer es schafft, innerhalb der 5 Spielrunden alle Brücken erfolgreich zu passieren und die dortige Flagge einzusammeln, gewinnt sofort. Ansonsten gewinnt derjenige Spieler, der die meisten unterschiedlichen Flaggen sein eigen nennen kann. Ein interessantes kleines Grübel-Spiel, sicher nicht für jeden was, aber für mich alleine aufgrund seiner "Andersartigkeit" schon interessant.


Wie ihr oben gelesen habt, war ich von Alien Frontiers ziemlich begeistert. Insbesondere das Retro-Sci-Fi-Thema hat es mir seitdem angetan, und deshalb fand ich dann auch Charon Inc. auf den ersten Blick recht interessant. Die Spiele haben aber, abgesehen davon, dass beide auf dem Spielbrett einen relativ kargen Planeten zeigen, nichts gemein. Charon Inc. stammt, wie das zuvor erwähnte Bridgetown Races, aus der Gryphon Games Family Series von Fred Distribution und wird in Deutschland von Pegasus Spiele vertrieben. Ich nehme es gleich vorweg, ich bin von dem Spiel relativ enttäuscht. In Charon Inc. schlüpfen die Spieler in die Rolle des CEO einer sogenannten "Offworld-Mining-Corporation", also einer Firma, die Rohstoffe auf sonst unbewohnten Planeten abbaut und verarbeitet. Das wars thematisch dann aber auch schon. Der Planet ist in unterschiedliche Zonen unterteilt, in jeder Runde werden in diesen Zonen zunächst Rohstoffe (bunte Kristalle) ausgelegt. Im Anschluss daran platzieren die Spieler dann Fahnen auf den Grenzen der Gebiete bzw. in den Gebieten selber und üben somit Einfluss auf die Gebiete aus. Sind alle Fahnen platziert, so wird für jedes Gebiet überprüft, wer den größten Einfluss ausübt, und der glückliche Gewinner erhält zum Lohn dann alle Kristalle aus dem entsprechenden Gebiet. Bei Fahnengleichstand kommt es darauf an, ob Fahnen auf der Grenze, einer Kreuzung oder im Gebiet selber stehen. Mit den auf diese Weise erhaltenen Ressourcen können die Spieler dann im Anschluss Gebäude mit den Siegpunktwerten 2 bis 12 bauen. Dabei können die Spieler pro Runde noch eine Spezialaktion ausführen und dann geht es eigentlich wieder von vorne los, das ganze über 5 Runden. Was mich an dem Spiel am meisten gestört hat, ist, dass man sich über den Verlauf des Spieles eigentlich nicht wirklich etwas aufbauen kann. In jeder Runde werden die Fahnen komplett neu platziert, man darf so gut wie keine Ressourcen mit in die nächste Runde nehmen und so fühlt sich das Spiel sehr repetitiv an und hat mich schon nach der 3. oder 4. Runde nur noch angeödet. Der Einflussmechanismus mit der Platzierung der Fahnen an sich ist nett, reicht aber nicht aus, um das sonst wirklich uninteressante Spiel zu retten. Hinzu kommt noch die eher lieblos und hastig wirkende Umsetzung sowie Abstriche beim Spielmaterial. Die Karten klebten beim Auspacken teilweise aneinander, die Fähnchen passen teilweise nur mit Gewalt in die Ständer und dann fehlte auch noch ein gelber Kristall. Zu guter Letzt gibt es dann auch noch einen wirklich miesen Patzer in der Regel, dort wird mal eben der Ablagestapel mit dem Nachziehstapel verwechselt (sowohl im englischen Original als auch in der deutschen Übersetzung, denken die Übersetzer bei ihrer Arbeit eigentlich gar nicht mit!?!) und auch sonst ist die Regel eher umständlich und nebulös formuliert. Fazit: Eine klare Enttäuschung.


So, trotz der Enttäuschung durch Charon Inc. war es alles in allem ein guter Monat für mich. Ich habe 6 neue Spiele gespielt, darunter einen "Neuzeit"-Klassiker (Funkenschlag), hinter dem ich schon lange her war, sowie eine echte Perle mit "Alien Frontiers". Die anderen Spiele waren auch ganz in Ordnung, haben mich aber alle noch nicht hundertprozentig überzeugt. Nur Charon Inc. hinterlässt wie gesagt einen bitteren Nachgeschmack.

Das wars nun erstmal, jetzt wird das Grillwetter genutzt.
Bis demnächst.
Euer Martin.