Freitag, 24. Juni 2016

Animals on Board



Alexander Jung kann ganz wunderbar Tiere malen. Weil das aber auch andere Illustratoren gut können und der Konkurrenzdruck entsprechend hoch ist, hat Jung sich in jüngerer Vergangenheit weiter spezialisiert: Er malt jetzt nur noch Tiere, die auf irgendetwas warten. Während sich etwa in Beasty Bar (2014) volljähriges Getier in einer Club-Warteschlange hin- und herschubste, steht in Animals on Board nun gleich die ganze Tier-Familie parat und wartet - weil mal wieder eine Sintflut droht - auf einen Platz auf einer der bereitstehenden Archen. Mit dabei sind auch ein paar voll doll super knuffig süße Babytiere... Ob das ein oder andere davon vielleicht Resultat einer besonders wilden Nacht in besagter Beasty Bar ist? Könnte ja sein...

Erst fand Gisela Giraffe Zippy Zebra ziemlich zum kotzen, weil er sich in der Warteschlange an ihr vorbeigedrängelt hatte. Auf der Tanzfläche war Zippy dann aber total galant, und so konnte Petra Plantschkuh ihre Freundin Gisela schlussendlich überzeugen. "Gisela", hatte Petra gewohnt autoritär gefordert, "Du gehst da jetzt rüber und gibst dem Zebra Deine Nummer!". Eines führte zum anderen und...

Äh, ja. In Animals on Board geht es jedenfalls um Tiere und um Archen, die von den Spielern betrieben werden. Das Spiel beginnt mit einer mindestens zehnminütigen Diskussion darüber, welches der Tierbabys am niedlichsten ist. Im Anschluss werden die ersten Tier-Passagier-Plättchen in der Tischmitte ausgelegt: Sie zeigen eine Tierart (z. B. Tiger, Schildkröte, Nilpferd...) und einen Zahlenwert von 1 (voll süßes Baby) bis 5 (immer noch knuffiges älteres Tier). Zu Beginn einer Runde bilden die wartenden Tiere eine große unübersichtliche Gruppe, in die die Spieler erst Mal Ordnung bringen müssen: Wer am Zug ist, teilt eine Gruppe beliebig in zwei kleinere auf und erhält für diesen mühsamen Verwaltungsakt eine Futterkiste. Im weiteren Verlauf entstehen so viele immer kleinere Grüppchen, bis sich die Spieler irgendwann dazu entscheiden, aus der laufenden Runde auszusteigen und eine bestehende Gruppe gegen Abgabe entsprechend vieler Futterkisten vollständig an Board der eigenen Arche zu locken.

Dieses Spektakel wiederholt sich über mehrere Runden, bis irgendwann der erste Spieler die zehn Plätze seiner Arche gefüllt hat. Die verladenen Tiere bringen dann getrennt nach Arten Punkte: Ein einzelnes Tier zählt einfach mit seinem aufgedruckten Wert, während Herden ab drei Tieren gleicher Art (also etwa der 1er, 2er und 4er-Tiger) pauschal mit 5 Punkten je Plättchen vergütet werden. Große Herden ab drei Tieren sind also potentiell am wertvollsten und damit das allgemein angestrebte Ziel, allerdings droht auf dem Weg dahin ein lästiger Stolperstein: Stehe ich am Ende der Partie mit nur zwei Tieren einer Art da, so muss ich diese an einen gewissen Noah abtreten und erhalte für mein Tierpärchen exakt gar nichts.

Animals on Board ist flott gespielt, regeltechnisch einfach und insgesamt ziemlich niedlich. Richtig warm geworden bin ich mit dem Spiel trotzdem nicht, denn dazu hat es für meinen Geschmack zu viele Momente, in denen die Spieler eigentlich nur irgendwie planlos agieren können. Insbesondere das erste Aufteilen der Gruppen geschieht eher aus Verlegenheit denn aus Kalkül, und auch im weiteren Verlauf einer Runde habe ich allgemein zu oft das Gefühl, dass die Spieler einfach irgendetwas machen. Ob eine von mir vorbereitete Gruppe noch verfügbar ist, wenn ich wieder am Zug bin, ist vor allem in hoher Spielerzahl eher unwahrscheinlich. Ich muss also mit dem arbeiten, was sich eben irgendwie ergibt. Vielleicht habe ich Glück und mein rechter Nachbar teilt mir die Gruppe genau so auf, wie ich sie gerne hätte. Vielleicht zerstört er aber auch die Gruppe, die für mich perfekt gewesen wäre. Das geschieht in der Regel nicht aus Absicht, sondern stattdessen eher aus Versehen, weil sich keiner am Tisch so genau merken will oder kann, was die anderen bereits eingesammelt haben. Natürlich hat Animals on Board auch seine emotionsreichen und taktisch spannenden Momente. Mir sind diese im Vergleich zu den planlosen Momenten des Spieles aber etwas zu spärlich gesät.

Schulnote: 3 minus


Animals on Board, 2 - 4 Spieler, Wolfgang Sentker und Ralf zur Linde, eggertspiele / Pegasus Spiele

5 Kommentare:

  1. Schade,das Dir scheinbar ,Deine "liebsten Leser",Dir die Freude an Videos genommen haben.

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    1. Ich möchte eigentlich beides machen: Videos und Texte. Bei schwüler Hitze allerdings eher letzteres.

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  2. Lieber Martin,

    ich mag sowohl Deine Texte als auch Deine Videos. Von Deinem prägnanten und unterhaltsamen Schreibstil könnten sich einige professionelle Journalisten eine Scheibe abschneiden.

    Mehr noch als hin und wieder ein Video vermisse ich manchmal Deine launigen Spiel-, Wochen- und Monatsberichte von früher (so bis Mitte 2014). Ich habe aber Verständnis dafür, dass man als Jury-Mitglied etwas zurückhaltender ist (und weniger Zeit hat :-D). Dein Spam ist aber auch immer gut.

    Das wichtigste jedenfalls ist für mich, dass Du sehr pointiert und auf den Punkt genau Deine persönliche Meinung äußerst - positiv wie negativ. Und auf diese Meinung kann man sich immer verlassen. Auch wenn man sie nicht teilt, weiß man, woran man ist. Du hast mich schon vor einigen belanglosen Lückenfüllern gerettet. Noch besser aber: Durch Deine Tipps habe ich schon ganz viele tolle Spiele kennen gelernt. Darauf kommt es an.

    Also: mach weiter Dein Ding, egal was es gerade ist.

    Viele Grüße
    Tim
    (nicht der Spielfreude-Tim)

    P.S.: Noch ein paar Videos mit Deinem Alter Ego im Keller fände ich aber auch geil!!

    P.P.S: Und bitte poste nach der Preisverleihung doch wieder das monströse Foto von den getesteten Spielen des Jahrgangs, das war gigantisch!

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    1. Vielen Dank für diesen lieben Kommentar, der aus irgendwelchen Gründen im Spam-Ordner gelandet war. Grade erst gesehen und mich gefreut :)

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  3. Hm, ganz ehrlich, für textuelle Rezension brauche ich nicht noch einen Blog. Die Videos waren deine Stärke.

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