Sonntag, 9. Dezember 2012

Escape: Der Fluch des Tempels (Review)

Escape: Der Fluch des Tempels
Ich habe hier ja schon mehrfach geäußert, dass mir kooperative Spiele nicht wirklich liegen. Um hektische Spiele reiße ich mich auch nicht unbedingt. Fantastische Voraussetzungen also für Escape: Der Fluch des Tempels, das neue Spiel von Queen Games. Dessen Hauptmerkmale nämlich: Kooperativ und hektisch.

In Essen habe ich das Spiel daher folgerichtig vollkommen ignoriert. Im Nachlauf zur Messe mehrten sich jedoch die positiven Kommentare auf Boardgamegeek, und so begann meine anfänglich selbstsichere Abneigung langsam zu zerbröckeln. Schlußendlich umgeworfen hat mich dann aber das folgende -wirklich exzellente - Video von Richard Ham aus Malta anfang November.


Trotzdem blieben Zweifel: Funktioniert das Spiel auch bei mir?... Mal sehen...

In Escape müssen die Spieler gemeinsam aus einem verfluchten Tempel entfliehen, und zwar innerhalb von nur zehn Minuten. Ist nach deren Ablauf auch nur einem einzigen Spieler die Flucht nicht gelungen, so verlieren alle zusammen. Als Timer dient dabei ein sehr stimmungsvoller Soundtrack, der von der mitgelieferten CD oder alternativ über die Homepage des Verlages abgespielt wird. Für ganz besonders Technik-Verdrossene liegt aber auch noch eine Sanduhr bei...

Der Spielaufbau ist schnell erledigt. Startraum und angrenzende Räume auslegen, Spielfiguren drauf, den Ausgang in die übrigen Räume mischen, eine von Spieleranzahl und Schwierigkeitsgrad abhängige Anzahl von Kristallen bereit legen. Soundtrack an. Auf die Plätze, fertig, los!

Die Spieler spielen alle gleichzeitig und steuern unter Einsatz von Würfelergebnissen ihre jeweils eigene Spielfigur, können sich aber in bestimmten Situationen assistieren. Jeder verfügt über fünf Würfel, mit denen es bestimmte Kombinationen zu erwürfeln gilt. Beim Würfeln hat man relativ freie Hand: Grundsätzlich darf beliebig oft geworfen werden, und es dürfen immer beliebig viele Würfel-Ergebnisse zur späteren Nutzung heraussortiert werden. Einzige Ausnahme bilden die schwarzen Masken. Zeigt ein Würfel eine solche als Ergebnis, so ist der betroffene Würfel gesperrt und darf nur durch gewürfelte goldene Masken reaktiviert werden. Eine goldene Maske heilt dabei zwei schwarze, und man darf auch gewürfelte goldene Masken von Mitspielern verwenden, wenn diese im selben Raum sind. Grundsätzlich gilt ferner: Wurde ein Würfel-Ergebnis für irgendetwas benutzt, so gelten die jeweiligen Würfel als verbraucht und müssen neu geworfen werden.

Und was macht man sonst mit den Würfelkombinationen? Zum Beispiel von Raum zu Raum laufen. Hierzu braucht es immer zwei Würfel, und zwar je nach Raum eine Kombination von Fackeln, Schlüsseln oder "Rennenden Männlein". Mit zwei solchen Männlein kann man zudem neue Räume aufdecken. Das sollte man auch dringend tun, denn schließlich muss ja der Ausgang gefunden werden. Mit dem bloßen Finden des Ausganges ist es aber bei weitem nicht getan, denn da waren ja noch die anfangs bereitgelegten Kristalle, die wir nebenbei in entsprechenden Räumen und mit passenden Würfelkombinationen aktivieren müssen. Zum Aktivieren eines Kristalles braucht man dabei je nach Raum entweder vier Fackeln oder vier Schlüssel, in manchen Räumen können aber auch mit mehr Fackeln oder Schlüsseln gleich mehrere Kristalle aktiviert werden. Das Aktivieren ist aufgrund der hohen Anzahl der nötigen Würfelsymbole alleine kaum zu schaffen, aber auch hier darf man sich gegenseitig helfen (wenn man im selben Raum ist). Sind alle Kristalle aktiviert, so braucht jeder Spieler später beim Ausgang nur jeweils einen einzigen geworfenen Schlüssel, um rauszukommen. Für jeden nicht aktivierten Kristall erhöht sich diese Anzahl aber um eins. Fies! Um das ganze noch etwas zu erschweren, ertönt im Soundtrack zudem zwischendurch zwei Mal ein Gong. Auf dieses Signal hin müssen dann alle innerhalb von etwa 30 Sekunden zurück zum Startraum hetzen. Wer's nicht schafft, verliert einen Würfel.

Dem Spiel liegen zudem die zwei Erweiterungsmodule "Flüche" und "Schätze" bei (die olle Sanduhr wird uns hier als dritte Erweiterung verkauft... hahahaha, is klar!). Spielt man mit den beiden Modulen, so sind bei der Spielvorbereitung insgesamt 13 der 19 Räume auszutauschen. Deckt ein Spieler während des Spieles nun einen Raum mit Schatzsymbol auf, so wird ein Schatzplättchen von einem vorher gemischten Stapel verdeckt darauf platziert. Der Schatz kann dann mit zwei Schlüsselsymbolen geborgen werden. Die Schatzplättchen bieten dabei diverse Vorteile, wie etwa das errichten von Geheimgängen, zusätzliche Schlüssel oder Fackeln oder geschenkte Aktivierungen von Kristallen. Befindet sich auf einem neu aufgedeckten Raum hingegen ein Fluchsymbol, so muss der betreffende Spieler einen Fluch vom verdeckten Stapel ziehen, der die Spielregeln für ihn negativ ändert. Teilweise sind die Flüche eher lustig und harmlos (Permanentes Hand-an-Stirn-Halten / Sprechverbot), teilweise aber auch wirklich nervig und störend (Würfelverlust, Abwertung der goldenen Masken). Zum Glück wird man die Flüche aber auch wieder los, und zwar natürlich mit Hilfe vom Fluch abhängiger Würfelkombinationen.

Unterm Strich wird man Escape nach den ersten Eingewöhnungspartien wohl kaum noch ohne die Erweiterungsmodule spielen wollen, denn diese bringen erst die richtige Würze ins Spiel. Schade um die 13 Räume der Basis-Version, die nun auf ewig in der Schachtel verstauben. Unnötige Materialverschwendung, das hätte man auch anders lösen können und stattdessen ein paar Räume und Features mehr einbauen können.

Im Endeffekt bleibt für mich aber festzustellen: Escape gefällt mir sehr gut. Tatsächlich helfen sich hier nämlich die zwei für mich anfangs negativen Grundmerkmale "kooperativ" und "hektisch" gegenseitig. Durch die Hektik gibt es keine Möglichkeit für einen Spieler, den anderen das Spielverhalten vorzudiktieren. Es wird auch nichts totdiskutiert, sondern einfach gemacht und überhaupt fühlt sich der Sieg gegen die Uhr für mich um einiges belohnender an, als ein Sieg gegen einen toten Kartenstapel, insbesondere wenn mal wieder der letzte Spieler in wirklich allerletzter Sekunde noch aus dem Tempel huscht. Auch die Spieldauer finde ich wirklich angenehm: Die zehn Minuten vergehen wie im Flug, und trotzdem ist man danach richtig geschafft. Uff. Zu einer zweiten, dritten oder gar vierten Runde entschließt man sich dann aber trotzdem gerne.

Escape ist das erste kooperative Spiel, dass mir wirklich gut gefallen hat. Natürlich steht und fällt das Spiel mit der Bereitschaft der Mitspieler, sich auf die hektische Würfelorgie einzulassen. Allzu analytisch agierende Spieler können hier mitunter zu Stimmungskillern werden. Dann lieber mal laut Fluchen, Jauchzen, Jubeln. Insbesondere durch den hervoragenden Soundtrack, aber auch durch die stimmigen Spielmechanismen, kommt dann schnell richtige Indiana-Jones-Stimmung auf (so sehr, dass man sich fragt, ob Queen hier nicht vielleicht Lizenzgebühren hätte bezahlen müssen...).

Einziges Problem für mich: Man will schnell mehr. Nach nun bereits 23 Partien (hört sich viel an, sind im Endeffekt insgesamt aber nur knapp vier Stunden Spieldauer) reicht mir das gebotene bereits nicht mehr. Ich will neue Flüche, neue Herausforderungen. Die erste Erweiterung - Escape: Illusions - steht daher bereits auf meinem Wunschzettel, ist aber für das Gebotene leider mal wieder etwas zu teuer geraten (derzeit 25 € beim Queen-Direkt-Vertrieb "mogli-distribution" auf Amazon.). Das ist aber vermutlich wieder das typische Gemeckere eines Vielspielers. Trotzdem bleibt für mich zu hoffen, dass Queen in der Lage ist, das Potential dieses wirklich cleveren und simplen Spielsystemes auszunutzen und in - bitte bezahlbare - Fortsetzungen umzusetzen. Ausreichend Erweiterungsmöglichkeiten hätte das Spiel jedenfalls (Mein erster ad-hoc-Wunsch wäre ein Szenario, in dem man in einer langen Reihe von Räumen vor einem Felsbrocken flüchten muss, natürlich mit passendem Soundtrack).

Ansonsten werden aber grade Gelegenheitsspieler-Familien mit Kindern ab 8 wohl auch an dem Grundspiel ihre Freude haben, weshalb Escape für mich der erste heiße Kandidat für den nächstjährigen Titel "Spiel des Jahres" ist (das von mir hochgepriesene Seasons war ja eher Kennerspiel-Material).

3 Kommentare:

  1. Hiho, schönes Review. Eine Frage habe ich du schreibst "Dem Spiel liegen zudem die zwei Erweiterungsmodule "Flüche" und "Schätze" bei" ...liegen die immer dem BasisSpiel bei?

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    1. Moin! Jawohl, die beiden Erweiterungsmodule sind fester Bestandteil des Basis-Spieles.

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    2. Super, danke für die fixe Antwort :-)
      Daniel

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